Zum Hauptinhalt springen
Wir sammeln weiter Bis 24.10.
|

Mehr Demokratie e.V. bestätigt Fristverlängerung

Endlich mehr Klarheit. Dank einer Stellungnahme von „Mehr Demokratie e.V.“ wissen wir nun, dass wir bis mindestens Freitag den 17.10. um 23:45 Uhr noch Unterschriften einreichen dürfen.

Rechtliche Stellungnahme zum Ende der Einreichungsfrist für das Stuttgarter Bürgerbegehren „Mehr Bahnhof = Mehr Zukunft“:

Also bitte nochmals alles geben. Selbst nach Feierabend kann es sich durch die späte Abgabezeit noch lohnen Unterschriften zu sammeln.

Wir sind nun so knapp vor unserem Erfolg!

Hier der Wortlaut der Stellungnahme von „Mehr Demokratie e.V.“:

Zwischen der Stadtverwaltung von Stuttgart und den Vertrauenspersonen des Stuttgarter Bürgerbegehrens „Mehr Bahnhof = Mehr Zukunft“ gibt es aktuell eine Kontroverse, wann genau die Einreichungsfrist für Unterschriften zu diesem Bürgerbegehren endet.

Dies ist eine Standardfrage bei allen Bürgerbegehren, die deshalb rechtlich gut geklärt ist und in der Beratungsarbeit von Mehr Demokratie e.V. insofern keinen ungewöhnlichen Vorgang darstellt. Wir stellen nachfolgend die Rechtslage dar und ziehen anschließend eine klare Schlussfolgerung für den speziellen Stuttgarter Fall.

In § 21, Absatz 3, Satz 3 der Gemeindeordnung von Baden-Württemberg ist festgelegt, dass ein Bürgerbegehren, das sich gegen einen Beschluss des Gemeinderats (oder, wie vorliegend, einen seiner beschließenden Ausschüsse) richtet, „innerhalb von drei Monaten nach  der Bekanntgabe des Beschlusses eingereicht sein“ muss. Fristauslösend ist also nicht der Beschluss selbst, sondern erst die Bekanntgabe des Beschlusses.

In der Rechtsliteratur ist völlig unstrittig (vgl. dazu z.B. den einschlägigen Kommentar von Kunze/Bronner/Katz  zur  Gemeindeordnung),  dass  mit  „Bekanntgabe“  nicht  zwingend  eine „amtliche Bekanntgabe“ gemeint sein muss. Bei Kunze/Bronner/Katz heißt es dazu erläuternd: „Vielmehr reicht es aus, wenn ohne formelle Bekanntmachung gewährleistet ist, dass der Bürger von der Beschlussfassung Kenntnis erlangen kann. … Nach der Rechtsprechung genügt dabei auch eine Veröffentlichung des wesentlichen Inhalts der Beschlussfassung in der örtlichen Presse oder im redaktionellen Teil des Amtsblatts, die den Bürger hinreichend über den Inhalt des Beschlusses unterrichtet und ihm eine Entscheidung im Hinblick auf ein Bürgerbegehren ermöglicht. Darauf, ob die Bürger  von der  Beschlussfassung tatsächlich Kenntnis erlangt haben, kommt es – auch mit Blick auf den Aspekt der Rechtssicherheit – nicht an“.

Gleichzeitig ist rechtlich unstrittig, dass es noch keine „Bekanntgabe“ darstellt, wenn die Sitzung, in der der Beschluss gefasst wurde, öffentlich war. Dazu heißt es z.B. im Rechtskommentar von Schellenberger (2020, S. 224), die ständige Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg referierend: „Die Bekanntgabe des Beschlusses erfordert mehr als die bloße Beschlussfassung des Gemeinderates. Die reine Feststellung des Abstimmungs- ergebnisses im Gemeinderat dient lediglich dem Zweck festzustellen, ob die entsprechende Vorlage der Verwaltung eine Mehrheit gefunden hat.“

Die „Bekanntgabe“ eines Beschlusses ist also etwas, was erst nach einer Sitzung durch eine Publikation geschehen kann. Ob dazu auch eine Veröffentlichung einer Gemeinde im Internet ausreicht, ist eine Frage, die bis jetzt noch nicht richterlich entschieden wurde und insofern offen ist. Kunze/Bronner/Katz vertritt dazu die Rechtsmeinung: „Eine Veröffentlichung der in öffentlicher Sitzung gefassten Beschlüsse … auf der Internetseite der  Gemeinde  …  wird diesen  Anforderungen  ebenfalls  genügen.“

Im vorliegenden Fall hat der zuständige Ausschuss der Stadt Stuttgart den fraglichen Beschluss in öffentlicher Sitzung am 15. Juli 2025 gefasst. Eine irgendwie geartete öffentliche Bekanntgabe der Stadt Stuttgart, dass die Beschlussvorlage in der Abstimmung angenommen wurde, erfolgte am 15. Juli 2025 noch nicht. Nach unserer Beobachtung erfolgte im Ratsinformationssystem der Stadt Stuttgart die Einfügung des Vermerks „zugestimmt“ zur Beschlussvorlage erst am 17. Juli 2025. Dies könnte deshalb als das fristauslösendes Ereignis gelten.

Die Stadt Stuttgart führt nun in einer Presseerklärung vom 15.10.2025 aus: „Im Zusammenhang mit der damit einhergehenden Presseberichterstattung im Vorfeld war der Öffentlichkeit hinreichend bekannt, dass am 15. Juli 2025 ein Aufstellungsbeschluss gefasst werden sollte.“ – Presseberichte im Vorfeld eines Beschlusses sind jedoch ganz sicher nicht fristauslösend, weil nicht die Information entscheidend ist, ob ein Beschluss gefasst werden „soll“, sondern ob er tatsächlich bei der Abstimmung eine Mehrheit gefunden hat. Zudem ist es – siehe den auf Rechtssicherheit abhebenden, oben zitierten Rechtskommentar – rechtlich irrelevant, wann die Bürger oder die Initiatoren eines Bürgerbegehrens tatsächlich Kenntnis von einem Beschluss erlangt haben, sondern es zählt für die Fristauslösung allein der Tag der öffentlichen Bekanntgabe des Beschlusses. Uns liegen keinerlei Belege dafür vor, dass eine solche öffentliche Bekanntgabe vor dem 17. Juli 2025 erfolgte. Selbst dieser Stichtag ist rechtlich ggf. wackelig, weil es bislang nicht gerichtlich bewährt ist, ob die Einstellung des Vermerks „zugestimmt“ in ein Ratsinformationssystem dafür ausreicht. Die Feststellung bei der Sitzung am 15. Juli 2025 selbst, dass der Beschlussantrag eine Mehrheit gefunden habe, zählt nach ständiger Rechtsprechung ganz sicher nicht als öffentliche Bekanntgabe.

Somit läuft die dreimonatige Einreichungsfrist für ein Bürgerbegehren zu einem Beschluss, der frühestens am 17. Juli 2025 öffentlich bekannt gegeben wurde, frühestens am 17. Oktober 2025 um 23.59 Uhr ab. Das fragliche Bürgerbegehren wurde am Abend des 15. Oktober 2025 tatsächlich im Rathaus der Stadt Stuttgart eingereicht. Es ist rechtlich unstrittig, dass bei einem Bürgerbegehren weitere Unterschriften bis zum Ende der Einreichungsfrist gültig nachgereicht werden können.

Wir gelangen somit zur rechtlich gegründeten Schlussfolgerung, dass im vorliegenden Fall weitere Unterstützungsunterschriften für dieses Bürgerbegehren spätestens bis zum Freitag, den 17. Oktober 2025 um 23.59 Uhr beim Rathaus der Stadt Stuttgart abgegeben werden können und diese von der Stadt Stuttgart auch entgegengenommen und bei der Unterschriftenzählung berücksichtigt werden müssen.

Dr. Edgar Wunder

Landesvorsitzender von Mehr Demokratie e.V. in Baden-Württemberg